Mit wem haben wir eigentlich die Ehre?

Kilian Ignaz Dientzenhofer wurde am 1. September 1689 in
Prag als fünfter Sohn des Baumeisters Christoph Dientzenhofer geboren. Er studierte auf dem Kleinseitner Gymnasium Philosophie und Mathematik. Bei seinem Vater erlernte er das
Baumeister-Handwerk, um danach
praktische Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Damals verbrachten die Söhne aus wohlhabenderen Familien meist ein bis zwei Jahre auf Reisen. Kilians Vaters war da großzügiger und ermöglichte ihm, gleich acht Jahre auf europaweiter Bildungsreise zu verbringen, um die Bauwerke barocker Meister kennen zu lernen. Er lebte in Wien, Venedig, Mailand, Florenz, Rom und Neapel. Im Jahr 1715 kehrte er nach
Prag zurück und unterstützte seinen Vater bei einer Vielzahl von Projekten, von denen er mehrere auch fertigstellte. Er war zweimal verheiratet und hatte insgesamt achtzehn Kinder. Die letzten Jahre seines Lebens arbeitete er mit seinem Schwiegersohn Anselmo Lurago zusammen, der dann nach seinem Tod die Bauvorhaben fertigstellte. Kilian verstarb am 12. Dezember 1751 in Prag und wurde auf dem
Kleinseitner Friedhof beigesetzt. Neben
prunkvollen Sakralbauten entwarf er auch ländliche Bauwerke. Interessant ist, dass ländliche Baumeister die charakteristischen Elemente seines Schaffens bis ins 19. Jahrhundert weiter verwendeten, was wir heute als
Bauernbarock bezeichnen. Zu den bekanntesten Vertretern des Bauernbarocks gehört heutzutage die Gemeinde
Holašovice in Südböhmen, die auf der UNESCO-Welterbeliste vertreten ist.
Barockkirchen – ikonische Bauwerke in Prag
Das wahrscheinlich bekannteste Bauwerk von Kilian Ignaz Dientzenhofer ist die
Nikolauskirche auf der
Kleinseite in
Prag. Es handelt sich auch um sein längstes Projekt, man könnte es sogar als
Lebenswerk bezeichnen. Noch als Lehrling begann er daran zu arbeiten und setzte die Tätigkeit nach seiner Rückkehr von der ausgedehnten Bildungsreise fort. Diese Kirche gehört zu den wichtigsten
Barockbauten Europas und wird als das schönste Bauwerk des böhmischen Barocks bezeichnet. Die mächtige Kuppel und der schlanke Turm sind ein Bestandteil der charakteristischen Silhouette der
Prager Burg. Ein Erlebnis an sich ist der
Aufstieg in den Glockenturm, von welchem aus sich ein imposanter Ausblick auf die roten Dächer der Hauptstadt und die sich windende Moldau eröffnet. Sollten Sie die Kirche besichtigen, dann werfen Sie einen Blick auf die Orgel, die sogar von Wolfgang Amadeus Mozart gespielt wurde.

Unter dem Taktstock von Kilian Ignaz Dientzenhofer entstanden auch weitere Prager Kirchen, wie beispielsweise die
Kirche der hl. Margareta im Areal des
Klosters Břevnov, des ältesten Klosters in den Ländern der böhmischen Krone, das 993 gegründet wurde. An Wochenenden werden Sie von den Mönchen persönlich begrüßt und durch das Klosterareal, darunter auch die Kirche der hl. Margareta, geführt. Zu den weiteren Prager Bauwerken gehören beispielsweise das
Loreto auf dem Hradschin, das ehemalige Heeresspital
Invalidovna im Stadtteil
Karlín, ein Teil des
Clementinums oder die
Nikolauskirche in der Altstadt. Für seine Familie ließ er eine Villa im Stadtteil Smíchov errichten, die heute unter dem Namen
Portheimka bekannt ist und das Kunstglas-Museum beherbergt.
Broumov und Umgebung – eine Landschaft barocker Kirchen
Der Benediktinerorden, der Dientzenhofer mit dem Bau der Kirche der hl. Margareta in Prag beauftragte, war ein großzügiger Kunde, der von Kilian Ignaz Dientzenhofer im Laufe mehrerer Jahre eine Reihe von Monumentalbauten errichten ließ. Zusammen mit dem Kloster Břevnov wurde auch das gesamte
Kloster Broumov in
Ostböhmen umgestaltet. Ein weiterer Auftrag erwartete ihn im nahe gelegenen Kloster in Police nad Metují. Rund um Broumov wurden außerdem
ländliche Kirchen erbaut oder umgebaut, und zwar in
Božanov, Heřmánkovice, Vižňov, Janovičky und den umliegenden Gemeinden. Und jede Kirche war anders. Dientzenhofer wiederholte sich angeblich nie in seinen Entwürfen und kopierte auch nie altbewährte Schablonen. Jede Kirche hat unter anderem einen etwas anderen Grundriss, wie beispielsweise einen Stern oder ein griechisches Kreuz. Seine Kreativität und sein künstlerisches Schaffen scheinen im Abstand von dreihundert Jahren schier unerschöpflich gewesen zu sein!
Das ist aber längst noch nicht alles!

Hat Sie dieser barocke Baumeister angesprochen? Dann entdecken Sie seine Spuren und besichtigen Sie auch weitere Bauwerke. Sie können beispielsweise in
Přeštice, einer Kleinstadt in der Nähe von
Pilsen in
Westböhmen, beginnen. Die architektonische Gestaltung der Kirche, die künstlerische Ausschmückung des Interieurs und die Einbettung des Gebäudes in die Landschaft machen aus ihm eines der
schönsten Denkmäler des böhmischen Barocks außerhalb Prags. Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Gemeinde
Plasy mit dem Areal des ehemaligen Zisterzienserklosters. An dessen Bau waren mehrere Architekten beteiligt, wobei auch Kilian Ignaz Dientzenhofer das finale Aussehen mitgestaltete, da er das Konvent-Gebäude fertigstellte. Das Kloster ist bemerkenswert unter anderem durch die Tatsache, dass der
gesamte Bau auf Eichenpfählen steht, die dank dem hohen Grundwasserspiegel konserviert sind und Jahrhunderte überdauert haben. Um Ihnen das dritte Bauwerk vorzustellen, bleiben wir in Westböhmen. Aus den Plänen von Dientzenhofer stammt auch das Konvent des
Klosters Kladruby nad Labem, das von zahlreichen Menschen besucht wird, die sich für spätgotische Architektur und die einzigartige Basilika des Baumeisters Johann Santini Aichl begeistern. In der
mittelböhmischen Stadt
Kutná Hora entwarf er eine weitere Architekturperle – das
Kloster mit Kirche für den Ursulinenorden. Heute beherbergt es das Bischöfliche Gymnasium. Und südwestlich von Prag, immer noch in Mittelböhmen, gibt es noch eine Spur dieses Baumeisters zu entdecken – in der Stadt
Sázava, in einem der ältesten Klöster der Tschechischen Republik wurde er mit der Errichtung des Konvents des damaligen
Benediktinerklosters beauftragt.
Treuer Nachfolger
Leider dauert nichts ewig und Kilian Ignaz Dientzenhofer verstarb im Alter von 62 Jahren. Damals nahmen solch monumentale Bauwerke für die Kirche oder den Adel viele Jahre in Anspruch, einige davon sogar Jahrzehnte. Dientzenhofer begann mit seinem Schwiegersohn Anselmo Lurago zusammenzuarbeiten, der nach seinem Ableben die Bauwerke fertigstellte. Beispielsweise seinen berühmtesten Bau, an welchem bereits sein Vater gearbeitet hatte – die Nikolauskirche – bekam er nie zu sehen, da dieser Bau erst von seinem Schwiegersohn fertiggestellt wurde.