Ein Kind der Bourgeoisie
Václav Havel wurde am 5. Oktober 1936 in eine Familie geboren, die seit mehreren Generationen zur privilegierten Prager Oberschicht gehörte. Sein Onkel war Eigentümer der
Prager Filmstudios Barrandov, die vor dem 2. Weltkrieg als „Europäisches Hollywood“ bezeichnet wurden. Sein Großvater war ein Immobilienmakler und Händler. Es schien, als würde Václav ein sorgenfreies und wohl behütetes Leben erwarten, wären der 2. Weltkrieg und danach die Machtübernahme durch die Kommunisten unter der Führung der Sowjetunion nicht gewesen. Die Familie wurde enteignet und Václav durfte weder sein geplantes Studium der Humanwissenschaften antreten, noch einen frei gewählten Beruf ausüben. Erst mit der Lockerung der Verhältnisse
in den 1960-er Jahren begann er als Dramaturg für Prager Theater zu arbeiten und Bühnenwerke zu schreiben.
Zerstörte Hoffnung im Frühling 1968
Der Frühling im Jahr 1968 stand in der Tschechoslowakei im Zeichen der schrittweisen Demokratisierung. Nach knapp 20 Jahren wurde beispielsweise
die Zensur aufgehoben und den Menschen wurde wieder das
Recht auf freie Meinungsäußerung zuerkannt! Verbotene Bücher durfte wieder veröffentlicht werden und in den Kinos wurden Filme gezeigt, die bis dahin hinter Schloss und Riegel gehalten wurden. Václav Havel war in seinen Dreißigern und lebte diese neu gewonnene Freiheit voll aus. Er verfasste Presseartikel, Bücher und Bühnenwerke. Leider wurde diese Entwicklung am 21.08.1968 durch den Einmarsch der Sowjettruppen gestoppt und das Leben kehrte wieder in gewohnte Bahnen zurück. Václav Havel sprach sich offen gegen die Besetzung der Tschechoslowakei und die Rückkehr zur alten Ordnung aus, was seine Kündigung und ein Schreibverbot zur Folge hatte. Danach arbeitete er eine Zeit lang als Arbeiter in einer Brauerei in
Ostböhmen. Václav Havel stellte sich als freiheitsliebender und die Einzigartigkeit eines jeden Menschen respektierender Mensch auf die Seite des Widerstands
gegen das kommunistische Regime, wofür er
mehrmals als politischer Gefangener hinter Gittern saß.
Die Samtene Revolution und eine ungewöhnlich Präsidentschaft
Das kommunistische Regime wurde im Jahr 1989 gestürzt und Václav Havel gehörte damals zu den Hauptakteuren des Umbruchs, der als die
Samtene Revolution in die Geschichte einging. Samten deshalb, weil die Revolution keine Todesopfer forderte und die Machtübergabe an das demokratische Regime friedlich verlief. Bereits Ende Dezember 1989 wurde Václav Havel zum
Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt und begann zusammen mit weiteren Kämpfern für Freiheit und Demokratie mit dem Aufbau eines neuen gesellschaftlichen Systems. Dabei hörte er nie auf zu schreiben, da er sich auch in seiner Präsidentenrolle eher als Dramatiker sah und sich lieber mit Künstlern als mit erfahrenen Politikern umgab. Václav Havel verdanken wir beispielsweise auch, dass Teile der
Prager Burg besichtigt werden dürfen und die Südgärten wieder ihre Gestalt aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg erhielten. Václav Havel blieb während seiner 13 Jahre dauernden Präsidentschaft seinem Motto aus der Zeit der Samtenen Revolution treu:
Wahrheit und Liebe müssen über Lügen und Hass siegen. Auch wenn ihn viele Politiker verachteten, war es seine künstlerische und zutiefst emphatische Weltanschauung, die die ersten Jahre der freien Tschechoslowakei prägte. Nach dem Rückzug aus der Politik widmete er sich seinen Vorlieben, kommentierte das aktuelle Geschehen und traf sich mit Bekannten und Freunden, zu welchen auch der Dalai-Lama gehörte, der Václav Havel mehrmals in Prag besuchte. Václav Havel
starb am 18. Dezember 2011 in seinem Landhaus in der Nähe des
Riesengebirges.
Wie können wir das Erbe von Václav Havel weiterleben lassen? Beispielsweise mit Socken!
Jedes Jahr
am 18. Dezember, dem Todestag von Václav Havel, gedenken Menschen mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen dieses Ausnahmemenschen. Dabei muss man an keinem Denkmal stehen und Blumen hinlegen, denn das entspricht ganz und gar nicht Václav Havel. Im Jahr 2012 entstand anlässlich seines 1. Todestags die Initiative „
Kurze Hosen für Václav Havel“ mit dem Ziel, seinen Nachlass mit einer symbolischen Geste weiterleben zu lassen, die einfach, leicht zu merken und vor allem leicht ausführbar ist. Die kurzen Hosen sollen an die Inauguration von Václav Havel in das Präsidentenamt im Jahr 1989 erinnern, als er in einer unabsichtlich über den Knöchel gerutschten Hose erschien. Jedes Jahr am Václav-Havel-Gedenktag
krempeln Menschen ihre Hosen hoch und zeigen ihre Socken, um diesem Mann humorvoll Tribut zu zollen. Eine Geste, die Václav Havel bestimmt wertgeschätzt hätte.
Kennen Sie die Orte, die mit Václav Havel in Zusammenhang stehen?
Davon gibt es unzählige, wie beispielweise das
Palais Lucerna am
Wenzelsplatz. Dieses wurde von seinem Großvater erbaut und befindet sich heute wieder in Familienbesitz. Darin finden Sie unter anderem in funktionsfähiges
Kino, wo die Premieren von Blockbustern stattgefunden haben, die von Václavs Onkel vor mehr als 80 Jahren in den Barrandov Filmstudios gedreht wurden. Oder Sie können im hiesigen, von den Sanierungsarbeiten fast unberührten
Café eine Tasse Kaffee genießen. Ein weiterer, eng mit Václav Havel in Zusammenhang stehender Ort ist die
Prager Burg, die dank der umfassenden Sanierungsarbeiten ein Touristenmagnet und noch viel mehr ist. Besucher können auch die Gärten rund um das
Schloss Lány, die Sommerresidenz tschechischer Präsidenten in
Mittelböhmen, besichtigen. In Lány besuchte Václav Havel gerne das örtliche Wirtshaus, und das ohne seine Bodyguards. Außerdem erwartet Sie hier die
Václav-Havel-Bibliothek mit Ausstellung zu dieser bereits historischen Persönlichkeit, deren Ziel darin besteht, das Leben und die Person des ersten tschechischen Präsidenten vollständig und umfassend wiederzugeben.